Bewerbungsgespräch:
Die perfekte Antwort auf Verhaltensfragen

Was sind Verhaltensfragen im Vorstellungsgespräch?

Typische Verhaltensfragen lauten etwa: „Beschreiben Sie Ihren bisher größten beruflichen Erfolg.», «Können Sie mir ein Beispiel geben in denen Sie gut in einem Team zusammengearbeitet haben» oder „Nennen Sie mir Beispiele, in denen Sie Führungsverantwortung bewiesen haben“ Verhaltensfragen zielen also immer darauf zu erfahren, ab Sie als Bewerber Beispiele geben können für konkrete Situationen aus ihrem Berufsleben oder Studium.

Sie erkennen Verhaltensfragen daran, dass diese sehr offen formuliert sind und Raum für die Schilderung eigener Erfahrungen lassen. Was der Personaler hier hören will, ist keine kurze und knappe Antwort, sondern eine gute, wahre und authentische Geschichte. Und solch eine Geschichte haben die meisten Menschen nicht spontan auf Lager.

Wieso sind Verhaltensfragen so beliebt bei Personaler?

Weil das Verhalten eines Jobkandidaten in früheren Situationen Schlüsse darüber zulässt, wie er zukünftig im Unternehmen handeln wird. Deshalb sind für viele Personaler Verhaltensfragen so ein wichtiges Mittel. Die richtige Antwort darauf wiederum ist ein gutes „Storytelling“ – Geschichtenerzählen. Natürlich wollen die Unternehmen an dieser Stelle keine Märchen hören. Aber in Geschichten verpackte Informationen haben gleich aus mehreren Gründen Vorteile. Geschichten nehmen unser Gegenüber besser mit, als die reine Information. Geschichten erlauben es, dass die Zuhörer sich in die Person des Bewerbers hineinversetzen können. Und noch besser: Geschichten regen bei Menschen die Fantasie an. Dadurch kann auch in nur kurzer Zeit eine Beziehung zum Erzähler aufgebaut werden. Und was gibt es besseres, um aus der Masse herauszustechen?

Unser Geheimtipp für eine perfekte Antwort:

Fürs Storytelling haben wir deshalb die MEHR-Wert-Formel entwickelt.

MEHR steht dabei für den ausschlaggebenden

1. MOMENT, den daraus entstehenden

2. ERFORDERNISSEN und der daraufhin erfolgten

3. HANDLUNGEN sowie dem sich daraus ableitenden

5. RESULTAT.

Das Praktische an der MEHR-Formel ist, dass sie nicht nur eine gute Basis für die Strukturierung des Gespräches ist, sondern auch dem Bewerber eine Grundlage für eine gut aufgebaute Antwort liefert.

Das Schlüsselwort zur erfolgreichen Anwendung der MEHR Wert Formel ist Planung.

Die richtige Vorbereitung:

Als Erstes müssen sie eine passende Geschichte aus dem Berufsleben finden. Nehmen Sie einen Zettel und schreiben Sie zuerst die größten Erfolge in Ihrem Berufsleben nieder. Sie sollten sich dabei bewusst machen, dass es nicht möglich ist, eine Geschichte für jede Form von Verhaltensfrage zu entwickeln. Aus diesem Grund empfiehlt sich der Ansatz, mit den größten Erfolgen zu beginnen. Solche Erfolge resultieren nämlich in aller Regel aus mehreren verschiedenen Faktoren und können daher leicht an unterschiedliche Verhaltensfragen angepasst werden. Um konkrete Geschichten zu finden hier ein paar geeignete Fragestellungen: Welches war Ihre größte berufliche Leistung? Bei welchen Projekten konnten Sie Ihr gesamtes Potenzial ausspielen? Welche Erfolge haben zu einer Beförderung geführt? Oder wenn Sie gerade einen Abschluss gemacht haben: Wie haben Sie ein Projekt in Ihrer Ausbildung erfolgreich zum Abschluss gebracht?

Ist die Frage geklärt, welche Geschichten erzählt werden sollen, ist als Zweites die Frage nach den darin aufgezeigten Kompetenzen zu stellen. Das kann etwa gute Kommunikationsfähigkeit, lösungsorientiertes Handeln, Übernahme von Verantwortung oder Führungsqualität sein. Bei der Frage, welche Kompetenzen in den Vordergrund gestellt werden sollten, liefert oft die Stellenbeschreibung wichtige Hilfestellung. Bei Nachwuchsführungskräften wäre hier also beispielsweise die Demonstration von Führungskompetenzen gefragt. Oft stehen die gewünschten Kompetenzen auch direkt in der Stellenausschreibung, zum Beispiel Kreativität oder interkulturelle Kompetenz. Diese sollten sich dann in der MEHR-Wert-Geschichte wiederfinden. Sind geeignete Geschichten und Kompetenzen definiert, so können diese mit der MEHR-Wert-Methode konkretisiert werden.

1. Moment & Erfordernis

Am Anfang der MEHR-Wert-Geschichte stehen der Moment und das Erfordernis. Er holt den Gesprächspartner an den entscheidenden Anfangspunkt der Geschichte, sozusagen dahin, wo das Drama seinen Lauf nimmt. Dabei wird der Zuhörer in knapper Form über die notwendigen Hintergründe informiert, in deren Kontext die folgende Geschichte einen Sinn ergibt. Er muss erfahren, worin die Komplexität und Schwierigkeit der Aufgabe lag und welche Rolle der Bewerber in dieser Geschichte spielte.

2. Handlung

An zweiter Stelle stehen nach Moment und Erfordernis die Handlungen des Bewerbers. Welche Maßnahmen wurden ergriffen, um die Situation zu lösen und voranzubringen. Dabei soll nicht nur die Frage beantwortet werden, WAS getan wurde, sondern auch WARUM. Personaler wollen nicht nur erfahren, wie ein Bewerber mit einem Problem umgeht, sondern auch, ob dahinter purer Zufall oder eine gute Strategie steckte. Auf diese Weise zeigt ein Bewerber, wer er bei der Arbeit ist, wie er denkt und wie er Problemstellungen angeht. Dabei ist Bescheidenheit nicht das Mittel der Wahl.

Bei der Frage nach den Handlungen sollte daher tiefer ins Detail gegangen werden. Sie sollten die gezeigten Kompetenzen bewusst benennen und es nicht ihrem Gegenüber überlassen, die wichtigen Schlagworte für sich selbst herauszufiltern. Auch eine deutliche Benennung der relevanten Fähigkeiten erhöht den Nutzen der MEHR-Wert-Geschichte stark.

3. Resultat

Das Resultat der Geschichte muss definitiv positiv sein, um die Gesprächspartner nachhaltig zu beeindrucken. Konkrete Ergebnisse, wie bspw. der erfolgreiche Abschluss eines Projektes, stehen dabei im Vordergrund.

Happy Ends können bspw. die Festigung einer Kundenbeziehung von einem Mitarbeiter im Customer Care, Einsparungen von Kosten durch eine clevere Idee im Unternehmen oder Erhöhung von Umsätzen sein.

Tipp: Am greifbarsten für den Gesprächspartner sind immer harte Fakten und konkrete Zahlen. Bspw. dass Sie den Umsatz um X % steigern, oder die Kosten um Y % senken konnten.

Aber nicht jede gute Geschichte, hat auch ein so greifbares Ergebnis. Das Resultat in der Mehrwertformel kann aber auch einfach nur ein positives Feedback eines Mitarbeiters oder Kunden sein. Auch möglich ist, wenn Sie aus einer Situation etwas gelernt haben. Achten Sie beim Ergebnis aber immer darauf, dass Ihr Ergebnis Ihre Kompetenz klar hervorhebt und betont.

Sie sollten unbedingt 2-3 Geschichten mithilfe der MEHR-Wert-Formel vorbereiten. Anschließen empfehle ich Ihnen folgendes. Kategorisieren Sie die Geschichten basierend auf den demonstrierten Fähigkeiten bspw. Geschichte 1 zeigt «Teamwork», Geschichte 2 zeigt «erfolgreich abgeschlossenes Projektmanagement» etc. Und wissen Sie, was dabei genial ist? Je nach Art der Fragestellung kann so die eine oder andere Geschichte mit dem Fokus auf diese oder jene Kompetenz erzählt werden. So vorbereitet kann der Bewerber nun auf fast jede Verhaltensfrage sicher und kompetent antworten.

Ein konkretes Beispiel:

Hinweis: Beim Aufschreiben der Geschichte geht es nicht darum, diese wortwörtlich nieder zu schreiben. Vielmehr sollten wichtige Stichpunkte dabei helfen, die eigene Geschichte frei zu erzählen. Vorformulierte Texte wirken dagegen wie eine auswendig gelernte Maske und werden von Personalern schnell als solche durchschaut. Es macht also Sinn, die freie Rede zu üben und die Geschichte auswendig und pointiert vorzutragen.

1. Moment und Erfordernis:

„Ich hatte drei Monate zuvor in einem alteingesessenen Familienunternehmen als Accountant angefangen und schnell fielen mir die hohen Schulden eines chinesischen Kunden auf. Meine Teamleiterin konnte mir nicht weiterhelfen, da im Accounting sonst niemand über Fremdsprachenkenntnisse verfügte und das Problem zwar bekannt, aber eine Lösung immer wieder vertagt worden war. Sie ließ mir daher freie Hand als ich ihr vorschlug, mich dieses Themas anzunehmen.

2. Handlung:

Zunächst nahm ich Kontakt zu unserem Vertrieb auf, welcher im Normalfall zuständig für die Betreuung unserer ausländischen Kunden ist. Doch auch hier hatte es gerade in kurzer Zeit mehrere Personalwechsel gegeben und niemand konnte mir einen festen Ansprechpartner nennen. Da ich an dieser Stelle zunächst nicht weiterkam, ließ ich mir die Kontakte des Kunden geben und nahm selbst dorthin Kontakt auf, um den richtigen Ansprechpartner auf Seiten des Kunden zu ermitteln. Nachdem ich freundlichen Kontakt hergestellt hatte, wandte ich mich an unseren Vertriebsleiter und schilderte ihm die Situation. Ich bat ihn darum, mir einen Kontakt im Vertrieb zu nennen, da ich einige für den Kunden notwendige Informationen zu den Aufträgen und Lieferungen selbst nicht vorliegen hatte. Gemeinsam mit dem mir benannten Kollegen trugen wir alle Details zu den noch nicht bezahlten Lieferungen der letzten dreieinhalb Jahre parallel zum sonstigen Tagesgeschäft zusammen und blieben in engem Mailkontakt mit dem Ansprechpartner im Kundenunternehmen. Nach mehreren Wochen akribischer Zusammenstellung von Lieferdetails und enger nahezu täglicher Abstimmung gab uns der Kunde das Ok, dass er nun alle für die Bezahlung notwendigen Informationen hätte. In mehreren Teilzahlungen folgte dann die Begleichung der rund 90 Einzelaufträge im Gesamtwert von etwa 400.000 USD.

3. Resultat:

Auf diese Weise hatte ich nicht nur für die Beseitigung der Außenstände gesorgt, sondern auch ein Debitorenkonto bereinigt, welches unseren Wirtschaftsprüfern bereits seit mehreren Jahren ein Dorn im Auge war. Und ich profitierte zusätzlich davon, dass die Abstimmung des Debitorenkontos nach der Bereinigung nur noch einen Bruchteil an Zeit in Anspruch nahm. Unser Geschäftsführer bedankte sich bei meinem Kollegen und mir durch die Aufhebung der Probezeit und Übernahme in ein unbefristetes Vertragsverhältnis.“

In dieser Geschichte ist der Moment schnell umrissen: Ein bekanntes Problem, aber keine vorhandenen Kompetenzen, um es in den Griff zu bekommen, bis vom Bewerber Eigeninitiative gezeigt wird. Auch die weiteren Kompetenzen sind hier klar umrissen: proaktives Handeln, Kommunikationsfähigkeit gegenüber Vorgesetzten, Kollegen und Kunden, sichere Fremdsprachenkenntnisse, detailgetreues Arbeiten, Teamfähigkeit, Beharrlichkeit und Durchhaltevermögen. Dieser Mix aus Kompetenzen führt gleich zu mehreren konkreten Ergebnissen: Mehr liquide Mittel für das Unternehmen, weniger Ärger mit dem Wirtschaftsprüfer, zukünftige Zeitersparnis und einen durch die intensive Zusammenarbeit gestärkte Beziehung zwischen Vertrieb und Accounting. Für den Personaler präsentiert sich der Bewerber(in) hier als moderne und kommunikative Buchhaltungskraft, deren Fähigkeiten weit über das korrekte Erfassen von Zahlenmaterial hinausgehen. Eine gute Geschichte, welche aufgrund der diversen demonstrierten Kompetenzen und ihrer unterschiedlichen positiven Resultate MEHR-Wert im Bewerbungsgespräch demonstriert.